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AutorenbildKatharina Eder

Bindungs- und Verlustangst und das Nervensystem

Aktualisiert: 16. Jan.


In einer Welt, die von komplexen Beziehungen und tiefen Emotionen geprägt ist, spielen Bindungs- und Verlustangst eine wichtige Rolle. Diese emotionalen Zustände können nicht nur unsere inneren Welten in Aufruhr versetzen, sondern auch unser Nervensystem erheblich beeinflussen. In diesem Beitrag werfen wir einen genaueren Blick auf die Zusammenhänge zwischen Bindungsstörungen, Stress und dem Nervensystem, und beleuchten die Bedeutung der Bewältigung für unsere emotionale Gesundheit.





Bindungsstörungen, insbesondere Bindungs- und Verlustangst, sind das Resultat verschiedener Faktoren, darunter frühe Traumata, dysfunktionale familiäre Strukturen und ungeheilte Bindungen. Menschen, die von diesen Störungen betroffen sind, erleben oft intensive Ängste in Bezug auf die Verfügbarkeit und den Fortbestand ihrer Bindungen. Solche Ängste können zu einem Teufelskreis aus anhaltender Sorge und emotionaler Distanz führen, der letztlich Stress auslöst.


Stress ist eine fundamentale physiologische Reaktion auf Herausforderungen. Bei Personen mit Bindungsstörungen kann selbst eine vermeintlich geringfügige Belastung, sei es eine wahrgenommene Zurückweisung oder Unsicherheit in einer Beziehung, zu intensivem Stress führen. Diese chronische Stressreaktion beeinflusst das Nervensystem in vielfältiger Weise.


Die Verbindung zum Nervensystem: Die Folgen der Bindungs- und Verlustangst


Das Nervensystem ist ein komplexes Netzwerk, bestehend aus dem zentralen Nervensystem (bestehend aus Gehirn und Rückenmark) sowie dem peripheren Nervensystem (umfasst die Nerven, die den Körper durchziehen).

Bei anhaltendem Stress, wie er bei Bindungs- und Verlustängsten auftritt, wird das sympathische Nervensystem aktiviert – der "Kampf- oder Flucht"-Modus.

Dies führt zur Freisetzung von Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol, die wiederum körperliche Symptome wie beschleunigten Herzschlag, erhöhten Blutdruck und möglicherweise Schlafstörungen verursachen können.


Über längere Zeiträume hinweg kann dieser Zustand des chronischen Stresses zu schwerwiegenden Gesundheitsproblemen führen, darunter geschwächte Immunfunktion, Verdauungsstörungen und psychische Erkrankungen wie Angstzustände und Depressionen. Das Nervensystem ist in direkter Weise mit unserem allgemeinen Wohlbefinden verknüpft, daher ist es von entscheidender Bedeutung, seine Balance aufrechtzuerhalten.


Das Reptilienhirn

Das "Reptilienhirn" ist ein informeller Begriff für den ältesten Teil des Gehirns, der auch als Stammhirn oder Reptiliengehirn bezeichnet wird. Es steuert grundlegende Überlebensfunktionen sowie angeborene Verhaltensmuster. Dieser Teil des Gehirns ist bei Säugetieren, einschließlich des Menschen, vorhanden und hat seinen Ursprung in den frühen Phasen der evolutionären Entwicklung.


Das Reptilienhirn umfasst hauptsächlich zwei Bereiche:


1. Der Hirnstamm (Medulla Oblongata)

Dieser Teil des Reptilienhirns kontrolliert lebenswichtige Funktionen wie Atmung, Herzschlag, Blutdruck und Verdauung. Es ist für die Aufrechterhaltung grundlegender Körperfunktionen unerlässlich und funktioniert automatisch, ohne dass bewusste Kontrolle erforderlich ist.


2. Das Zwischenhirn (Mesencephalon)

Das Zwischenhirn ist an der Verarbeitung sensorischer Informationen beteiligt, die Informationen von den Sinnesorganen zum Gehirn weiterleiten. Es spielt auch eine Rolle bei der Regulierung von Schlaf-Wach-Zyklen und der Steuerung der Pupillenreaktion.


Der Begriff "Reptilienhirn" ist metaphorisch, da dieser Teil des Gehirns bei Reptilien und frühen Säugetieren eine besonders wichtige Rolle spielt, um grundlegende Überlebensreaktionen zu steuern. Diese Reaktionen werden oft als "Kampf- oder Flucht"-Reaktionen bezeichnet. Bei Bedrohung oder Stress setzt das Reptilienhirn eine schnelle, instinktive Reaktion in Gang, um entweder mit der Bedrohung zu kämpfen oder vor ihr zu fliehen.


In modernen Zeiten kann das Reptilienhirn in Situationen, die als bedrohlich empfunden werden, noch immer aktiviert werden, selbst wenn die Bedrohung nicht physisch ist.

Dies kann zu emotionalen Reaktionen führen, die das rationale Denken beeinflussen. Die Fähigkeit, das Reptilienhirn zu regulieren und bewusstere, rationalere Reaktionen zu fördern, ist eine wichtige Komponente der Emotionsregulation und Stressbewältigung.


Der Zusammenhang zwischen dem Stressmodus und rationalem Denken


Der Stressmodus, auch als "Kampf- oder Flucht"-Reaktion bekannt, wird durch das sympathische Nervensystem ausgelöst und ist eine evolutionär entwickelte Antwort auf Bedrohungen. Während dieser Reaktion werden Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol ausgeschüttet, um den Körper auf eine sofortige Reaktion vorzubereiten. Diese Reaktion kann dazu führen, dass die Aufmerksamkeit auf das akute Problem oder die Bedrohung gerichtet wird, während andere kognitive Funktionen, wie komplexes Denken und rationale Entscheidungsfindung, in den Hintergrund treten.

Fokussierte Wahrnehmung

Im Stressmodus verengt sich die Aufmerksamkeit auf das unmittelbare Problem oder die Bedrohung. Dies kann dazu führen, dass andere Informationen und Perspektiven, die für eine rationale Entscheidungsfindung wichtig wären, vernachlässigt werden. Die Fähigkeit, Informationen abzuwägen und komplexe Situationen zu analysieren, kann beeinträchtigt sein.

Eingeschränkte Informationsverarbeitung

Unter Stress neigt das Gehirn dazu, auf automatische, instinktive Reaktionen zurückzugreifen, anstatt bewusst abgewogene Entscheidungen zu treffen. Das rationale Denken, das eine gründliche Bewertung von Fakten, Optionen und Konsequenzen erfordert, kann in den Hintergrund treten, während der Fokus auf die schnelle Reaktion auf die Bedrohung liegt.


Emotionale Dominanz

Der Stressmodus aktiviert das limbische System, das für Emotionen verantwortlich ist, und kann dazu führen, dass Emotionen wie Angst, Wut oder Panik das Denken dominieren. Unter solchen Umständen können emotionale Impulse die rationale Bewertung von Situationen überlagern, was zu impulsiven Handlungen führen kann.


Eingeschränkte Problemlösung

Stress kann die kognitive Flexibilität einschränken, die für die Lösung komplexer Probleme erforderlich ist. Die Fähigkeit, verschiedene Lösungsansätze zu betrachten und ihre Vor- und Nachteile abzuwägen, kann durch den Stressmodus behindert werden, was zu schnellen und möglicherweise unüberlegten Entscheidungen führen kann.


Insgesamt kann der Stressmodus das rationales Denken beeinträchtigen, da er den Fokus auf sofortige Überlebensreaktionen lenkt und die Kapazität für bewusstes, abgewogenes Denken reduziert. Stress kann in bestimmten Situationen jedoch auch durchaus nützlich sein, um schnelle Reaktionen auf akute Gefahren zu ermöglichen.


Das Nervensystem regulieren lernen


Ein wichtiger Schritt in der Arbeit bei Bindungs- und Verlustängsten ist die Regulation des Nervensystems


Indem du lernst, deine emotionalen Reaktionen zu managen und das "Reptilienhirn" in Schach zu halten, schaffst du Raum für Reflexion und einen klaren Verstand. Die Harmonisierung unseres Nervensystems ermöglicht es uns, nicht nur unsere eigenen Emotionen besser zu verstehen, sondern auch effektivere Entscheidungen zu treffen und konstruktivere Beziehungen aufzubauen.


Den Mut aufzubringen, sich mit Bindungs- und Verlustängsten auseinanderzusetzen, ist ein Schritt, der nicht nur das Nervensystem schützt, sondern auch den Weg zu einer besseren emotionalen Gesundheit ebnet. Therapeutische Ansätze wie die Arbeit mit Inneren Anteilen, dem Inneren Kind oder Hypnose können dabei helfen, Destruktive Muster zu erkennen und zu überwinden. Dieser Prozess erfordert natürlich Geduld und Übung, doch die positiven Auswirkungen auf das Nervensystem und die allgemeine Lebensqualität sind von unschätzbarem Wert.

Denn ohne ein ruhiges Nervensystem helfen auch die besten Kommunikationstipps wenig!

Ebenso wichtig ist es, ein unterstützendes soziales Netzwerk aufzubauen, sei es durch enge Freunde, Familie oder professionelle Hilfe. Selbstfürsorge, regelmäßige Achtsamkeitsübungen und die Entwicklung gesunder Beziehungsgewohnheiten sind weitere Schritte, die zur Reduzierung von Bindungs- und Verlustangst beitragen können.


Egal für welchen Schritt du dich entscheidest: Ich hoffe ich konnte dir mit diesem Beitrag ein Stück mehr Verständnis für dich und deinen Körper geben.


Ich glaube an dich!

Deine Katharina


Quellen:

Allan N. Schore: Affektregulation und die Reorganisation des Selbst. Klett-Cotta, Stuttgart 2007.

C.G. Jung, Gesammelte Werke, Band 9/II, 249 f. „Aion“, Struktur und Dynamik des Selbst C.G. Jung, Gesammelte Werke, Band 5, Symbole der Wandlung, S. 293 f. Goddemeier, Christof, „John Bowlby: Pionier der Bindungsforschung“, Deutsches Ärzteblatt PP, Oktober 2015, S. 459 – 461, https://www.aerzteblatt.de/archiv/172529/John-Bowlby-Pionier-der-Bindungsforschung. Growth and education of the hemispheres. In: C. Trevarthen: Brain circuits and functions of the mind. Cambridge University Press, 1990. Satow, L. (2012). Stress- und Coping-Inventar (SCI): Vollständige Test- und Skalendokumentation.





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