top of page

ADHS und das Gehirn: Welche Regionen sind betroffen?

Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine der häufigsten psychischen Störungen, die Kinder und Erwachsene betreffen kann.



ADHS äußert sich typischerweise durch Schwierigkeiten bei der Aufmerksamkeitssteuerung, Impulsivität und motorische Unruhe. Aber was passiert dabei eigentlich im Gehirn? In diesem Artikel werfen wir einen Blick darauf, welche Hirnregionen bei ADHS eine Rolle spielen und wie diese die typischen Symptome beeinflussen.

Das Zusammenspiel von Hirnregionen bei ADHS


ADHS wird nicht durch ein einziges Hirnareal ausgelöst, sondern betrifft ein Netzwerk aus mehreren Bereichen. Diese Hirnregionen arbeiten normalerweise zusammen, um Funktionen wie Aufmerksamkeit, Impulskontrolle, emotionales Gleichgewicht und Bewegungskoordination zu regulieren. Bei Menschen mit ADHS sind diese Funktionen jedoch gestört, weil bestimmte Hirnregionen nicht optimal arbeiten oder miteinander kommunizieren.



Präfrontaler Kortex – Die Zentrale für die Exekutivfunktionen


Der präfrontale Kortex, der sich im vorderen Teil des Gehirns befindet, ist für die sogenannten Exekutivfunktionen verantwortlich. Dazu gehören wichtige Fähigkeiten wie:

  • Planen und Organisieren

  • Fokussierung und Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit

  • Arbeitsgedächtnis

  • Impulskontrolle und Entscheidungsfindung


Studien haben gezeigt, dass bei Menschen mit ADHS der präfrontale Kortex oft weniger aktiv ist. Das erklärt, warum Betroffene oft Schwierigkeiten haben, sich auf Aufgaben zu konzentrieren, schnell den Faden verlieren oder impulsiv handeln. Die verminderte Aktivität in diesem Hirnareal führt dazu, dass die notwendige Selbstregulation schwerer fällt.


Basalganglien – Bewegungssteuerung und Impulskontrolle


Die Basalganglien sind Strukturen im Gehirn, die Bewegungen steuern und auch eine Rolle bei der emotionalen Regulation spielen. Sie sind wie ein Filtersystem, das unnötige Reize blockiert, damit wir uns auf das Wesentliche konzentrieren können. Bei ADHS funktioniert dieses Filtersystem oft nicht optimal. Dadurch fällt es schwer, unwichtige Informationen auszublenden, was die ständige Reizüberflutung und die Impulsivität erklären könnte.




Kleinhirn – Der Motor für Bewegungen


Das Kleinhirn (Cerebellum) ist für die Feinabstimmung von Bewegungen und das Gleichgewicht verantwortlich. Es hilft uns, Bewegungen präzise zu steuern und Reaktionen anzupassen. Bei Menschen mit ADHS wurden Abweichungen in der Größe und Funktion des Kleinhirns festgestellt, was zu motorischer Unruhe oder sogar Koordinationsschwierigkeiten führen kann. Diese Unruhe kann ein Grund sein, warum viele Menschen mit ADHS ständig "in Bewegung" sind und Schwierigkeiten haben, still zu sitzen.


Limbisches System – Die Schaltzentrale für Emotionen


Das limbische System umfasst mehrere Hirnregionen, die für die Steuerung von Emotionen und Motivation verantwortlich sind. Besonders der Nucleus accumbens, eine Struktur im Belohnungssystem des Gehirns, spielt bei ADHS eine Schlüsselrolle. Das Belohnungssystem ist bei Menschen mit ADHS oft weniger empfindlich, was bedeutet, dass alltägliche Belohnungen nicht die gleiche positive Wirkung haben wie bei anderen Menschen. Dies kann zu impulsivem Verhalten führen, da Betroffene nach sofortigen und stärkeren Belohnungen suchen, um das Gefühl von Zufriedenheit zu erreichen.


Das Ungleichgewicht der Neurotransmitter


Neben den Hirnregionen spielen auch physiologische Vorgänge im Gehirn eine entscheidende Rolle. Bei ADHS sind vor allem die Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin betroffen. Diese Botenstoffe übertragen Signale zwischen den Nervenzellen und beeinflussen wesentliche Hirnfunktionen wie Aufmerksamkeit, Motivation und die Regulierung von Impulsen.


  • Dopamin: Es wird vermutet, dass Menschen mit ADHS weniger Dopamin im Gehirn haben, was zu einer gestörten Belohnungsverarbeitung führt. Dies erklärt, warum Betroffene oft nach sofortiger Befriedigung suchen und Schwierigkeiten haben, langfristige Ziele zu verfolgen.

  • Noradrenalin: Dieser Neurotransmitter ist entscheidend für die Aufmerksamkeitssteuerung. Ein Ungleichgewicht kann zu den Schwierigkeiten führen, sich längere Zeit auf eine Aufgabe zu konzentrieren.


ADHS ist nicht einfach ein "Aufmerksamkeitsproblem", sondern eine komplexe neurobiologische Störung, die verschiedene Hirnregionen und chemische Prozesse betrifft. Der präfrontale Kortex, die Basalganglien, das Kleinhirn und das limbische System spielen alle eine Rolle dabei, die typischen Symptome von ADHS zu erklären. Darüber hinaus beeinflussen Neurotransmitter wie Dopamin und Noradrenalin, wie gut diese Hirnregionen miteinander kommunizieren.


Das Verständnis der zugrundeliegenden Hirnmechanismen von ADHS kann dir helfen, dich und deine Symptome besser zu verstehen. Medikamente wie Stimulanzien, die das Dopamin- und Noradrenalinsystem beeinflussen, können vielen Menschen mit ADHS helfen, die Funktionsweise dieser Hirnregionen zu verbessern und die Symptome zu lindern.


Quellen:

  • Barkley, R. A. (Ed.). (2015). Attention-deficit hyperactivity disorder: A handbook for diagnosis and treatment (4th ed.). The Guilford Press.

  • Faraone, S. V., et al. (2015). Attention-deficit/hyperactivity disorder. Nature Reviews Disease Primers, 1, 15020. https://doi.org/10.1038/nrdp.2015.20

  • Mehta, T. R., Monegro, A., Nene, Y., & Saadabadi, A. (2019). Neurobiology of ADHD: A review. Current Developmental Disorders Reports, 6(4), 235–240. https://doi.org/10.1007/s40474-019-00182-w

  • Rubia, K. (2018). Cognitive neuroscience of attention deficit hyperactivity disorder (ADHD) and its clinical translation. Frontiers in Human Neuroscience, 12, 100. https://doi.org/10.3389/fnhum.2018.00100

  • Shaw, P., et al. (2007). Attention-deficit/hyperactivity disorder is characterized by a delay in cortical maturation. Proceedings of the National Academy of Sciences, 104(49), 19649-19654. https://doi.org/10.1073/pnas.0707741104

 
 
 

Comments


bottom of page