top of page
kathieder96

ADHS und Hormone: Wie Geschlechtshormone und der Zyklus die Symptome beeinflussen

ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) wird oft als neurologische Entwicklungsstörung betrachtet, doch Hormone können einen erheblichen Einfluss auf die Symptomatik haben. Besonders Geschlechtshormone wie Östrogen und Progesteron sowie der Menstruationszyklus spielen bei Menschen mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen eine entscheidende Rolle. In diesem Artikel werfen wir einen genauen Blick darauf, wie Hormone die ADHS-Symptome verstärken oder mildern können.



Wie Geschlechtshormone die ADHS-Symptome beeinflussen

Östrogen und Progesteron sind zwei zentrale Hormone, die den Menstruationszyklus steuern. Östrogen, das insbesondere in der ersten Hälfte des Zyklus (Follikelphase) dominiert, hat neuroprotektive Eigenschaften und kann die Freisetzung von Dopamin und Serotonin im Gehirn steigern. Da ADHS stark mit einer Dysregulation von Dopamin verbunden ist, könnte ein hoher Östrogenspiegel dazu beitragen, die Symptome zu mildern. Studien deuten darauf hin, dass eine Erhöhung des Östrogenspiegels oft mit verbesserten kognitiven Fähigkeiten, einer besseren Impulskontrolle und einer gesteigerten Aufmerksamkeit einhergeht.

Progesteron hingegen, das in der zweiten Zyklushälfte (Lutealphase) ansteigt, wirkt beruhigend, kann aber auch zu erhöhter emotionaler Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen und kognitiven Beeinträchtigungen führen. Viele Menschen mit ADHS berichten, dass ihre Symptome wie Konzentrationsprobleme und Impulsivität in der Lutealphase zunehmen. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass Progesteron die Wirkung von Östrogen teilweise ausgleicht und die Neurotransmitter-Aktivierung im Gehirn beeinflusst.


Der Menstruationszyklus und ADHS

Der Menstruationszyklus kann die ADHS-Symptomatik erheblich beeinflussen. Viele Betroffene fühlen sich in der Follikelphase klarer und fokussierter, während in der Lutealphase Symptome wie Ablenkbarkeit, Reizbarkeit und Stimmungsschwankungen verstärkt auftreten. Besonders die Tage vor der Menstruation (prämenstruelles Syndrom, PMS) können herausfordernd sein. In dieser Zeit fallen die Spiegel von Östrogen und Progesteron rapide ab, was zu einer Verschlechterung der ADHS-Symptome führen kann. Manche Betroffene berichten sogar von einer Art "emotionalen Absturz", bei dem sie sich ähnlich wie in depressiven Episoden fühlen.

Während der Menstruation selbst, wenn die Hormonspiegel auf ihrem niedrigsten Punkt sind, kann es ebenfalls zu einer Verschlechterung der Symptome kommen. Allerdings gibt es individuelle Unterschiede: Manche Menschen erleben in dieser Phase sogar eine Verbesserung, da die hormonellen Schwankungen vorübergehend nachlassen. Dies zeigt, wie komplex und individuell der Zusammenhang zwischen dem Zyklus und ADHS sein kann.


Erkenntnisse aus der Forschung: Östradiol und kognitive Leistungsfähigkeit

Eine Studie der Universitätsklinik Tübingen untersucht, wie das Geschlechtshormon Östradiol die kognitive Leistungsfähigkeit von Frauen beeinflusst. Dabei wird ein Fokus auf verschiedene Lebensphasen gelegt, in denen hormonelle Schwankungen auftreten, wie Pubertät, Menstruation, Schwangerschaft und Menopause. Die Forschung zielt darauf ab, den Zusammenhang zwischen Östradiol-Spiegeln und Gedächtnisleistung, Wahrnehmung sowie psychischer Gesundheit besser zu verstehen, um langfristig neue Therapieansätze zu entwickeln.


Wichtige Erkenntnisse der Studie:

  • Östradiol und Gehirn: Östradiol, das stärkste der drei natürlichen Östrogene, spielt eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung weiblicher Geschlechtsmerkmale, der Fruchtbarkeit und im Menstruationszyklus. Nach der Menopause sinkt der Östradiolspiegel drastisch, was die kognitive Leistungsfähigkeit schwächen und das Risiko für Alzheimer erhöhen könnte.

  • Hormonersatztherapie: Die Einnahme von Östradiol in Form einer Hormonersatztherapie könnte das Gehirn schützen und die kognitive Gesundheit fördern.

  • Menstruationszyklus: Obwohl der Zusammenhang zwischen schwankenden Hormonspiegeln während des Zyklus und der kognitiven Leistung bisher nicht eindeutig nachgewiesen wurde, bleibt dies ein zentrales Thema der Forschung.


Hormonelle Schwankungen und ADHS im Lebensverlauf

Pubertät: Mädchen mit ADHS erleben in der Pubertät oft eine Verschärfung ihrer Symptome. Die steigenden Spiegel von Östrogen und Progesteron können dazu führen, dass ADHS-Medikamente schneller metabolisiert werden und dadurch weniger effektiv sind.


Reproduktive Jahre: Frauen mit ADHS berichten, dass ihre Symptome im Verlauf des Menstruationszyklus schwanken. Während der Follikelphase, wenn Östrogen dominiert, sind die Symptome oft weniger ausgeprägt. In der Lutealphase jedoch, wenn Progesteron steigt, verschlechtern sich oft Konzentration und Stimmung.


Schwangerschaft: In den frühen Stadien der Schwangerschaft können ADHS-Symptome aufgrund hormoneller Veränderungen zunächst zunehmen. Mit steigenden Östrogenspiegeln fühlen sich viele Frauen jedoch besser, was die kognitive und emotionale Stabilität fördert. Nach der Geburt können hormonelle Einbrüche jedoch das Risiko für depressive Episoden erhöhen, insbesondere bei Frauen mit ADHS.


Menopause: Mit sinkenden Östrogenspiegeln in der Perimenopause und Menopause erleben viele Frauen eine Verschlechterung der ADHS-Symptome. Die Abnahme von Dopamin und Serotonin im Gehirn trägt zu Konzentrationsproblemen, Stimmungsschwankungen und Müdigkeit bei.


Warum ADHS-Symptome bei Frauen im Alter zunehmen können

Die Wechseljahre und die damit verbundenen hormonellen Veränderungen spielen eine große Rolle bei der Verschlechterung von ADHS-Symptomen. Sinkende Östrogenspiegel reduzieren die Freisetzung von Dopamin und Serotonin, was zu verstärkten Konzentrationsproblemen, emotionaler Reizbarkeit und anderen ADHS-Symptomen führen kann. Zusätzlich können veränderte Lebensumstände und der Verlust von Bewältigungsstrategien im Alter eine Rolle spielen.


Strategien für den Umgang mit hormonellen Einflüssen


  1. Zyklusbasiertes Symptommanagement: Ein Tagebuch zu führen, um die Beziehung zwischen Zyklusphasen und ADHS-Symptomen zu beobachten, kann helfen, Muster zu erkennen und gezielt Strategien zu entwickeln. Apps zur Zyklusüberwachung können dabei unterstützen.

  2. Hormontherapie: In manchen Fällen können niedrig dosierte Hormonersatztherapien oder die Anpassung der Verhütungsmethode sinnvoll sein. Dies sollte immer in Absprache mit einer Ärztin oder einem Arzt erfolgen.

  3. Ernährung und Bewegung: Eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung können die allgemeine Stimmung und kognitive Funktionen positiv beeinflussen. Besonders magnesium- und vitaminreiche Nahrung unterstützt das Nervensystem.

  4. Stressmanagement: Techniken wie Meditation, Yoga oder Atemübungen können helfen, hormonell bedingte Stimmungsschwankungen zu mildern und die Konzentration zu fördern.

  5. Medikamentenanpassung: Manche Menschen profitieren von einer Anpassung ihrer ADHS-Medikamente in bestimmten Zyklusphasen. Dies sollte mit einer Fachperson besprochen werden.

  6. Therapeutische Begleitung: Eine Therapie, die auf die individuellen Herausforderungen von ADHS und hormonellen Schwankungen eingeht, kann Betroffenen helfen, besser mit den Symptomen umzugehen. Hier kann auch der Austausch mit anderen Betroffenen hilfreich sein.



Quellen:

Barth et al. (2015). Endocrine Reviews.

Girdler et al. (2001). Hormones and Behavior.

Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften. (2016). Einfluss von Sexualhormonen auf Gehirn und Verhalten. Abgerufen von https://www.mpg.de.

Quinn, P., & Hinshaw, S. (n.d.). Hormonal effects on ADHD in women. ADDitude Magazine. Abgerufen von https://www.additudemag.com.

Rohde, A. (2010). Frauenspezifische Aspekte affektiver Störungen. Dissertation, Freie Universität Berlin. Abgerufen von https://refubium.fu-berlin.de.

Smith et al. (2006). Neurosteroids and GABA-A receptor plasticity.

Universitätsklinik Tübingen. (2024, März 22). Studie untersucht den Einfluss von Östradiol auf das weibliche Gehirn. Universitätsklinikum Tübingen. Abgerufen von https://www.medizin.uni-tuebingen.de.


63 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

コメント


bottom of page